Stellungnahme / Erklärung des Kämmerers Dr. Klaus Wigginghaus zur Finanzierung des Theaterneubaus in der Einwohnerversammlung am 17.06.:

Kämmerer: Haushalt strukturell nicht ausgeglichen

1. Vorbemerkung:

Klärung der Grundpositionen sowie der Fragen, die sich in der bisherigen Diskussion als wichtig herausgestellt haben Finanzierung: Woher kommt das Geld?

Ähnlich wie ein Bürger sich fragt, wenn er in Haus bauen will! Finanzierbarkeit: Wie oft muss ich vielleicht bei einem solchen Hausbau auf einen Urlaub verzichten? Oder fehlt mir sogar das notwendige Geld für die Ausbildung meiner Kinder?

Die Bedingungen für die Realisierung des Theaterprojektes haben sich über die bisherige Laufzeit permanent verschlechtert.

Der Kämmerer entscheidet nicht über den Bau, das macht der Rat. Aus meinem. Amtsver-ständnis heraus sehe ich mich verpflichtet, die Konsequenzen und Rahmenbedingungen einer eventuellen Bauentscheidung aufzuzeigen, damit der Rat seine Verantwortung wahrnehmen kann.

2. Investitionssumme:

Die insgesamt zu finanzierende Investitionssumme (incl. MWSt) stellt sich aus heutiger Sicht wie folgt dar:

Theatergebäude: 25,476 Mio € / Umfeldmaßnahmen 4,980 Mio €

Kostenrisiken existieren naturgemäß, bleiben jedoch hier unberücksichtigt. Die Baukosten sind genau untersucht worden, eine risikoorientierte Erhöhung wäre zum jetzigen Zeitpunkt willkürlich. Ein Kostenrisiko bleibt indessen.

3. Finanzierung:

Für die Finanzierung öffentlicher Investitionen gilt das, was auch im privaten Bereich gilt: Ein hoher Eigenkapitalanteil mindert in die Zukunft hinein die Belastungen.

Dementsprechend gingen die ersten Überlegungen Ende 2000/Anfang 2001 davon aus, ent-sprechende Beträge anzusparen. Wegen der bekannten Entwicklung oder besser gesagt, des Verfalls der öffentlichen Einnahmen, war dies nicht mehrdurchzuhalten. Darauf habe ich die städtischen Gremien und damit auch die Öffentlichkeit hingewiesen.

Heute stellt sich die einzig denkbare Finanzierung wie folgt dar:

  • 5 Mio € Sponsorengelder
  • 14,2 Mio € Kreditaufnahme
  • 2,1 Mio € Aktienverkauf (RWE)
  • 7,5 Mio € Rücklage aus dem Stadtwerkeverkauf
  • 1,6 Mio € Zuschuss aus Städtebaumitteln (Land NRW)

Anzumerken sind folgende Gesichtspunkte:

Der kreditfinanzierte Anteil der Investition bleibt gegenüber dem Beginn der Projektplanung nahezu unverändert. Er darf nicht erhöht werden, da ansonsten zu starke Beeinträchtigun-gen der Handlungsfreiheit zu befürchten sind.

Der Aktienverkauf stellt eine vertretbare Vermögensumschichtung dar, deren Durchführung von der Kursentwicklung abhängig ist. Zu beachten ist, dass dieser Umschichtung Einnahme-verluste (Dividende) gegenüber stehen. Diese Einnahmeverluste gehen zu Lasten des Gesamthaushaltes und sind entsprechend zu berücksichtigen.

Die Zuschüsse Städtebau sind derzeit formell nicht gesichert, jedoch , wahrscheinlich und werden deshalb in die Finanzierung eingebaut.

Sponsorengelder sind zugesagt und werden deshalb ebenfalls berücksichtigt. Die Rückla-genentnahme ist nur deshalb möglich, weil die Stadt eine 49,9 Beteiligung an den Stadt-werke Gütersloh GmbH veräußert hat.

Die mit diesem Erlös durchgeführte Entschuldung hat erhebliche Entlastungswirkungen inner-halb der Haushaltsplanungen bewirkt. Weitere Entnahmen aus der Rücklage, sind nicht möglich.

4. Ermittlung der Folgekosten

Die Stadt Gütersloh befindet sich derzeit in einer Situation mit einem strukturell nicht ausgeglichenen Haushalt. In einem solchen Moment kann als einziges finanzpolitisches Ziel ein struktureller Ausgleich akzeptabel sein. Die Realisierung dieses Zieles darf durch dieses Projekt nicht unmöglich gemacht werden und sollte auch nicht erschwert werden.

Die Gesamtbelastung des städtischen Haushaltes durch das Theaterprojekt ist beachtlich.

Nach den bisherigen Überlegungen sollen die erhöhten Bewirtschaftungskosten für das ' Ge-bäude - 433 T Euro - durch Einnahmeerhöhungen ausgeglichen werden. Diese Kosten werden deshalb bei meiner finanzwirtschaftlichen Bewertung als ausgleichbar unterstellt.

Erhöhte Produktionskosten bleiben unberücksichtigt. Es ist indessen sicher zustellen, dass die eigentlichen Aufwendungen für den Kulturbetrieb gesichert bleiben.

Nachstehend werden deshalb die Auswirkungen der Finanzierungskosten auf die zukünftige Politik in der Stadt Gütersloh dargestellt und bewertet.

5. Finanzierbarkeit und Auswirkungen

Wie vorstehend dargelegt, wird die Frage der Finanzierbarkeit unter Berücksichtigung der fi-nanzwirtschaftlich maßgeblichen Aspekte der Investition dargestellt und bewertet. Entschei-dend ist hier darauf abzustellen, welche Auswirkungen die Realisierung des Theaterpro-jektes auf die übrigen Aufgaben der Stadt Gütersloh und die Bindungen der frei verfügbaren Finanzmittel hat.

Die Aufgaben der Stadt Gütersloh sind einmal anlässlich der letzten aushaltsplanberatungen als Früchte eines Baumes dargestellt worden.

Die Erfüllung all dieser Aufgaben muss nach der Gemeindeordnung dauerhaft unter sich ändernden Bedingungen gesichert sein.

Ziel muss es deshalb sein, ein angemessenes Verhältnis zwischen strukturellen Bindungen innerhalb des Budgets und zukünftigen Reaktionsmöglichkeiten zu schaffen.

Die größten strukturellen Bindungen gehen von den Personalkosten und den Schuldenlasten aus. Hierbei sind auch die gegenwärtige Haushaltskrise ( !! ) und deren Auswirkungen zu berücksichtigen. Die Situation wird insoweit verschärft.

Das Theaterprojekt beeinflusst nachhaltig die Verschuldenssituation der Stadt Gütersloh und die davon ausgehende Bindungswirkung auf die Handlungsmöglichkeiten der Stadt Gütersloh. Dies lässt sich am deutlichsten an dem Anteil der Aufwendungen erkennen, der zur Bedienung der Schulden erforderlich ist.

Bei Umsetzung der im Investitionsprogramm vorgesehenen Maßnahmen kommt es zu einer Erhöhung der Kreditlinie, die deutlich über einer noch akzeptablen Größe liegt, nämlich bei 12,5 % der freien Einnahmen.

Dies stellt eine eklatante Verschlechterung gegen über dem Projektbeginn dar, wie aus nachstehendem Vergleich deutlich wird.

Das Theaterprojekt hat erhebliche Auswirkungen innerhalb der gegenwärtigen Haushalts- und Finanzplanung. Von daher ist es nicht zutreffend, die gegenwärtig krisenhafte Haushaltssituation ( !! ) als für die Entscheidung unbeachtliche punktuelle Betrachtung anzusehen. Die Entscheidung für das Projekt wird auch im Rahmen der Konsolidierung relevant werden.

Aus der Übersicht wird deutlich, dass in 2006 ein erheblicher zusätzlicher Konsolidierungsbe-darf in Höhe von 0,707 Mio Euro entsteht.

Aus heutiger Sicht ist nicht damit zu rechnen, dass im Rahmen der Finanzreform die Ein-nahmen der Kommunen in dem hier als problematisch gekennzeichneten Bereich steigen werden.

6. Zusammenfassung und Bewertung

Die Realisierung des Projektes führt zu erheblichen Belastungen der gesamtstädtischen Finanzwirtschaft. Innerhalb des Finanzplanungszeitraumes ist nicht mit Einnahmever-besserungen zu rechnen, die zu einer Entspannung der Situation führen können.

Eine Ausweitung der Aufgaben und damit der Ausgaben ist in der Mittelfristplanung nicht vor-gesehen und auch nicht möglich.

Die Schuldenlastquote ist auf einen Wert von deutlich unter 10 % zurückzuführen.

Die Einschränkungen sind zu realisieren durch

  • Rückführung des Investitionsprogrammes und / oder
  • Reduzierung (aufgabenkritische) bisheriger Aufgaben

Dr. Wigginghaus

17. Juni 2003